Jedes Pferd verfügt über individuell geformte Hufe. Daher ist es für ein Pferd wenig nützlich sich bei der Hufbearbeitung Idealmaßen eines Pferdehufes zu orientieren und ihm vorschreibt, dass die Zehe passend zu einem bestimmten Winkel, den Huf insgesamt ovaler oder runder, symmetrischer sein soll.

Es sollte bei der Bearbeitung vielmehr die Wechselwirkung der Hufform, der dazugehörigen Gliedmaße und das Pferd selbst berücksichtigt werden.

Die spezifischen Abnutzungsvorgänge werden in der Bearbeitung akzeptiert und dem Pferd wird der Hornschuh bequemer gemacht, Hebel ausgeschalten und angeboten, den Huf durch Abriebsteuerung schonend und Schritt für Schritt gleichmäßiger abzulaufen, falls es die pathologischen Begebenheiten der Gliedmaße zulassen.

Die Besonderheiten des Hufes, beschränken sich nicht nur auf den Hornschuh selbst. Vielmehr formen die Gliedmaßen mit ihren Knochen und Gelenken, Sehnen und Bändern und der Abrieb den Hornschuh. Vor allem das Hufbein passt wie ein Puzzlelteil in die dazugehörige Hornkapsel und spiegelt ungleich große Hufhälften wider.

Die Kräfte zwischen der Gliedmaße und dem Boden formen somit Huf und das Hufbein. Doch auch die Gelenksflächen passen sich an den individuellen Gebrauch der Gliedmaße an. So konnte ich auch selbst beim Sezieren feststellen, dass Huf-, Kron- und Fesselgelenke nicht symmetrisch, sondern passend zu dem Hufbein und der Hufkapsel individuell ausgestaltet sind.

Die Kräfte zwischen der Gliedmaße und dem Boden formen den Huf und das Hufbein. Somit ist jeder huf Individuell zu seiner Gliedmasse ausgeformt.

Die Knochen des Pferdebeines verstärken (verbreitern) sich an der mehr belasteten Seite der Gliedmaße und verringern sich an der weniger belastetsten. Das Hufbein reagiert hier anders: die mehr belastete Hufhälfte wird schmäler (wie die Hufhälfte, so auch das Hufbein), die weniger belastete Seite verbreitert sich.

Auch die seitlichen Bänder und Gelenksknorpel formen sich je nach der Beanspruchung und sind unterschiedlicher Qualität an der Innen- und Außenseite der Gliedmaße.

So stellt sich die Frage, wie sinnvoll oder hilfreich es für das Pferd ist, den Huf (manchmal auch recht aus der Form geratenen) von jetzt auf gleich „schön“ zu schneiden. Die Anpassungsleistungen des Organismus werden hier an ihre Grenzen gebracht und im schlimmsten Fall störend oder schmerzhaft empfunden. Die Gelenke, Bänder und Knorpelstrukturen werden von einer Minute auch die andere komplett umgestellt.

Bei einer solch ungünstigen Gliedmassenstellung kann man keinen symmetrischen Idealhuf erwarten. Man kann ihm dazu verhelfen, besser in Balance zu finden und diese zu erhalten.

Dieses schön schneiden der Hufe, das einseitige Kürzen der zu langen Hufwand, das kürzen der Trachten um einen passenden Fesselstand zu erreichen oder einen bestimmten Hufwinkel zu erreichen muss bei der konventionellen Hufbearbeitung bei jeder Bearbeitung wiederholt werden. Das heißt, das Pferd läuft sich den Huf über die Zeit wieder so, wie er vor der letzten Bearbeitung war – also passend zu seiner Gliedmaße.

Pferde, deren Beine bereits pathologische Veränderungen vorweisen, kommen mit spontanen Stellungskorrekturen eher schlechter zurecht.

Sollten nun schiefe Hufe und Fehlstellungen beim erwachsenen Pferd nicht mehr korrigiert werden und einfach so hingenommen werden?

Knochen verändern und passen sich auch noch im Erwachsenenalter an (nicht nur zum Schlechten, auch zum Guten ist dies möglich) . Nur erreicht man das nicht, indem man das Pferd dazu zwingt eine Stellung einzunehmen, der seine Strukturen nicht gerecht werden können.

Daher macht es Sinn einen durch seine eigentümliche Belastungssituation oder Gangverhalten aus der Form geratenen Huf nicht nachträglich zu korrigieren sondern vorausschauend zu formen und zu erziehen.

Die HUfbearbeitung durch die Huforthopädie verhilft dem Huf nachhaltig zu einer besseren Balance und erfährt dabei keine spontane Stellungskorrektur.

Der Huforthopäde beobachtet und erkennt die Kräfte die auf den Huf wirken (Abrieb und Bodengegendruck) und schaltet sich ein, um zukünftig den Bodengegendruck besser auf den Huf wirken lassen zu können und nutzt den Abrieb um dem Pferd anzubieten, die weniger belastete Hufhälfte (welche bisher weniger Abrieb erfahren hat, da ja weniger belastet) vermehrt zu benutzen. Durch das dünner Raspeln des weniger belasteten Tragrandes, erfolgt nach der Bearbeitung hier schneller Abrieb und wird dadurch stetig und langsam kürzer. Der Huf verliert nach der Bearbeitung keine Veränderung seiner Stellung zum Boden. Das Fundament ist dasselbe. Der Huf wird sich aber von nun an anders ablaufen und die Hufwand anders formen. Die oberen Strukturen können sich über diesen Zeitraum hinweg langsam an die Veränderung anpassen. 

Der Mensch macht dem Huf in diesem Fall nicht schön, um einen hübschen Huf zu gestalten, es wird dem Pferd vielmehr die Möglichkeit eröffnet und im vorgeschlagen, seine Hufsituation und somit auch die Nutzung der Gelenke zu ändern.

Noch bevor sich die Hufwände wieder zu verbiegen beginnen, greift der Huforthopäde erneut ein, da mit der Zeit, mit dem Wachsen des Hornes, die gesetzten Maßnahmen ihre Wirkung verlieren. Die Intervalle sind von Huf zu Huf und auch jahreszeitenabhängig und sind im Normalfall bei 4-5 Wochen. Manchmal ist es zwischenzeitlich sinnvoll einzelne Hufwandbereiche allen 2-3 Wochen einen frischen Schliff zu verpassen um die zukünfitige Wachstumrichtung der Hornröhrchen zum Boden verbessern.

Hier wird nur der Zehenabweiser mit Hilfe eines Rietdaches bearbeitet. Die angelaufene Zehenrichtung wird dabei bewusst ausgespart.

 Funktionale Anpassung und pathologische Veränderung der Pferdegliedmaße liegen knapp beieinander. In diesem Punkt gilt für die Hufbearbeitung den Ist-Zustand zu akzeptieren und das Pferd nicht neu zu besohlen. Besser wäre es natürlich es gar nicht einmal soweit kommen zu lassen und den Hufen von jungen Jahren an mehr Beachtung zu schenken.